April 5, 2021 - Keine Kommentare!

4611 – so kommst du zur Ruhe

Ich würde so gerne meditieren können, aber meine Gedanken kommen einfach nicht zur Ruhe. ICH komme einfach nicht zur Ruhe. Solche Sätze höre ich am Rande des Yogaunterrichts immer wieder. Und ehrlich: Auch mir fiel das lange sehr schwer. Zu sehr kreisten die Gedanken. Zu wenig halfen mir verschiedene Techniken. Bis ich aufgab – um wieder anzufangen. Und dies möglichst simpel. Aus Hilflosigkeit nahm ich das mir naheliegendste als Brücke: meine Atmung. Mir hilft die 4611-Formel, aber dazu später.

Im Alltag halten uns häufig alle möglichen Gedanken, Gefühle, Erinnerungen und Sorgen davon ab, den Moment bewusst zu erleben. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit aber auf den Atem richten und stets zu ihm zurückkehren, sobald wir gedanklich abdriften, sind wir nicht länger Spielball unserer Gedanken.

Es gibt kaum ein besser erforschtes Feld im Yoga: Viele Studien weisen nach, dass Atemübungen, so genanntes Pranayama, unsere Resilienz unterstützen und so unser gesamtes Wohlbefinden.

Darum solltest du das bewusste Atmen üben:

Bewusster Atem erhöht die Resilienz

Ein Team um den Psychologen Anselm Doll, der heute am Münchner Max-Planck-Institut für Psychiatrie forscht, zeigte 2016 dies: Durch bewusste Atmung sinkt die Aktivität in der Amygdala, dem Gefühlszentrum im Gehirn, und zugleich schaltet sich der Präfrontalkortex, das rationale Kontrollzentrum, vermehrt ein. Die gesunden Probanden lagen im Hirnscanner, während sie immer wieder unangenehme Bilder gezeigt bekamen. Mal sollten sie die Fotos nur passiv betrachten, ein anderes Mal dabei bewusst auf ihren Atem achten, so wie sie es zuvor gelernt hatten. Führten sie die Atemmeditation durch, zeigte sich das beschriebene Aktivierungsmuster, und sie gaben an, emotional weniger mitgenommen zu sein.

Atmen gegen Angst & Aufregung

Eine weitere Technik aus dem Pranayama wurde nach der US-Präsidentschaftswahl 2016 bekannt. Hillary Clinton übte sich in der Wechselatmung, um nach dem langen Wahlkampf und der Niederlage ihre innere Balance wiederzufinden. Die Atemtechnik, bei der man abwechselnd durch ein Nasenloch Luft holt und sie wieder ausatmet, ist eine der am besten erforschten überhaupt. Sie hilft nachweislich bei Lampenfieber, akutem Stress und sogar bei psychischen Störungen. Patienten, die unter generalisierten Ängsten litten, profitierten in einer Studie der Mailänder Psychiaterin Stefania Doria von einer Kombination aus Wechselatmung und leichten Yogaübungen. Nach zehn Trainingseinheiten hatten sich die Symptome signifikant verringert. Übten die Patienten zu Hause regelmäßig, hielt der Effekt sogar noch sechs Monate später an.

Wie lässt sich das erklären? Gibt es womöglich eine besondere Verbindung zwischen Lunge und Psyche? Der Atem ist ein empfindlicher Seismograf für unseren inneren Zustand. Sind wir nervös, ängstlich oder haben Schmerzen, wird er automatisch schneller und flacher. Sind wir hingegen ruhig und glücklich, atmen wir langsam und tief. Dafür sorgen Sympathikus und Parasympathikus – Teile des vegetativen Nervensystems, die als Gegenspieler den Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung in unserem Organismus steuern.

Atmen als präventives Mittel gegen Stress

Und diese Brücke zwischen Körper und Geist ist keine Einbahnstraße. Wir lächeln nicht nur, weil wir fröhlich sind, sondern wir können unsere Laune beeinflussen, indem wir lächeln. Ähnlich ist das beim Atmen: Holen wir in stressigen Momenten langsam und tief Luft, gaukeln wir dem Körper eine Art Ruhemodus vor – ein Powernap im Wachzustand sozusagen. Und der Körper zieht nach: Der Vagusnerv, ein Teil des Parasympathikus, der etliche Organfunktionen kontrolliert, wird stimuliert und entfaltet seine beruhigende Wirkung. Herzfrequenz und Blutdruck sinken, Muskeln lockern sich, und ein wohliges Gefühl breitet sich aus.

Der Atem ist unser einziger Zugang, um bewusst das vegetative Nervensystem zu beeinflussen, sind sicher viele Experten einig. Genau deswegen ist bewusstes Atmen der gemeinsame Nenner und die Essenz aller Entspannungstechniken, vom autogenen Training bis zum Yoga.

Thomas Loew, Chefarzt der psychosomatischen Abteilung der Uniklinik Regensburg, empfiehlt aufgrund seiner Forschungsarbeit die 4611-Methode: Vier Sekunden einatmen, sechs Sekunden ausatmen, und das möglichst 11 Minuten lang. Damit wird nicht nur das Tempo der sonst üblichen Atemgeschwindigkeit halbiert. Bei sechs Atemzügen pro Minute zeigt sich in Studien außerdem der Einfluss des Atems auf den Herzschlag am deutlichsten.

Wer regelmäßig mit Atemtechniken übt, tut sich, seinem Körper und Geist nicht nur in dem Moment etwas Gutes. Er schmeißt auch das körpereigene Wartungsprogramm an und versetzt den Organismus in eine Art selbstheilenden Reparaturmodus.

Diese Apps helfen beim Atmen

Die RESET-App: Atmen gegen Stress oder Prüfungsangst – die Uniklinik Regensburg bietet dazu ein spezielles Atemtraining für Schülerinnen und Schüler an. Interessierte 12 bis 14 Jahre alte Schüler können sich auf der Internetseite www.training-sr.de informieren.

Breathe +: Kostenfreie App ohne Werbung oder In-App Käufe. Simples Design, intuitive Bedienung.

The Breathing App: Kostenfreie App, mit der Möglichkeit der Individualisierung: der Atemrhythmus wird mit einem größer und kleiner werdenden Kreis visualisiert.

Veröffentlicht von: Tatjana in Sonstiges, Yoga

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