Wenn man an Yoga denkt, ist Kraftaufbau wahrscheinlich nicht das erste, was einem in den Sinn kommt. Im Gegenteil: Sportler integrieren Yoga oft in ihren Trainingsplan, um Regeneration und Erholung zu unterstützen. Andere nutzen gezielt Übungen aus dem Yoga, um nach intensivem Training, die Muskeln zu dehnen und mobiler zu werden.
Und dennoch: Auch mit Yoga kann man eine ganz besondere Kraft trainieren – eine Kraft, die aus der Körpermitte kommt. Ziel ist es hierbei weniger, 100 Sit-Ups am Stück zu machen, sondern ein gutes Kraftniveau zu erreichen, um ausgeglichen zu bleiben und Verletzungen zu vermeiden.
MIT YOGA KRAFT AUFBAUEN – KLAR, ABER WIE?
Abhängig von den individuellen körperlichen Voraussetzungen, fällt es vielen Yoga-Einsteigern bereits nach kurzer Zeit nicht mehr schwer, einen oberen Liegestütz oder einen Stuhl zu halten. Doch auch diese vermeintlich leichten Asana können mit der Zeit stärker und geschmeidiger werden. Durch gezieltes Training zum Aufbau von Kraft – ja, auch darüber darf man bei Yoga sprechen – wird der Bewegungsspielraum größer und man gewinnt zugleich ein größeres Maß an Kontrolle über die Bewegung des Körpers. Wenn man so will: ein sanftes Krafttraining, das jeden Tag geübt werden kann - ohne sich zu „verbrennen“. Es hat mir geholfen, meinen Körper alltagsfit zu machen, um Verletzungen zu vermeiden, und zugleich schwierigere Asanas zu erforschen.
Hier einige Lieblingsübungen für zuhause:
ÜBUNG 1: DIE SCHULTERN RUNDEN
Unsere Körper sind notorisch schwach in den "Endbereichen" der Bewegung. Das Erlernen der vollständigen Streckung (Rundung des Rückens) ist ein hervorragendes Krafttraining für alle geraden Armkraftbewegungen, die wir in der Praxis haben - wie zum Beispiel einen Handstand.
Beginne im normalen Brett oder oberen Liegestütz, halte die Arme durchgehend gerade und drücke die Schulterblätter aktiv zusammen. Dann drückst du dich nach oben, wobei der Rücken so gut wie nur möglich gewölbt wird. Bleibe mit dem Atem in Verbindung und lass die Hüften nicht steigen. Fünf bis zehn Wiederholungen sind am Anfang super.
ÜBUNG 2: CHATURANGA, DER YOGI SCHIEBT SICH NACH OBEN
Im Yoga können wir Kraft ähnlich wie in anderen Fitnessrichtungen durch isometrische Übungen, also Halten, trainieren. Das Besondere am (Vinyasa-) Yoga sind aber kontrollierte und langsame Übergänge von Asana zu Asana. Zum Beispiel das langsame Ablegen vom oberen Liegestütz, um in der Kobra aufzutauchen - oder uns wieder in die Planke nach oben zu schieben..
Das Chaturanga ist eine fantastische Möglichkeit, Kraft in der tiefen Core-Muskulatur und den gebeugten Arme aufzubauen. Die Kunst und Krux des „Yogi-Liegestütz“ ist die: Er erfordert ein gutes Zusammenspiel vieler Muskelgruppen in der Bewegung. Wenn das nicht klappt, brechen wir eher zusammen anstatt den Übergang anmutig zu meistern. Dabei ist es wichtig, dass wir in jedem Moment des Übergangs die Kraft halten, um
- das Absenken des Körpers zu kontrollieren (exzentrisch)
- aktiv den 90-Grad-Winkel beizubehalten (isometrisch) und
- uns wieder in die Planke bringen (konzentrisch)
Es ist absolut in Ordnung, bei dieser Bewegung die Knie so lange abzulegen, bis wird die Form gut halten können. Ziel ist es, das ganze kontrolliert zu wiederholen, also senken wir uns beim Ausatmen nach unten und beim Einatmen schieben wir uns wieder nach oben. Beginne mit drei langsamen Wiederholungen und füge mit der Zeit so viele hinzu, wie du möchtest.
ÜBUNG 3: POSE MIT DOPPELTEM ZWECK, DIE TAUBE
Die Taube ist eine fantastische Pose, um alle Muskeln rund um Hüfte und Gesäß zu dehnen. Deswegen wird sie meistens in Yogaklassen integriert. Zugleich kann sie aber auch dabei helfen, diese Region zu stärken - wenn sie in einer bestimmten Art und Weise ausgeführt wird:
Du kommst in die Taube und stellst am besten die Zehen des hinteren Fußes auf. Leg ruhig das Knie des hinteren Beines ab und dann ziehen aktiv die Knie zu einander - ohne sie zu bewegen. Die Hüften bleiben in der Luft schwebend, und der Oberkörper ist so aufrecht wie möglich.
Wir wollen nur wenig bis gar kein Gewicht in den Armen haben, das kann bedeuten, dass die Fingerspitzen sanft auf dem Boden aufliegen werden, um unser Gleichgewicht ein wenig zu unterstützen. Wenn du dich stabil fühlst, hebe die Hände vom Boden an. Lasse dich beim Ausatmen nach vorne über das vordere Schienbein sinken (in der Luft schwebend), und richte dich beim Einatmen wieder auf.
Beginne einfach und schau mal, ob du sukzessive die Hände weglassen kannst und das ganze bis zu zehn Mal wiederholst. Eine Steigerungsmöglichkeit wäre noch diese: Versuche, die hinteren Zehen am Boden zu halten und das hintere Knie vom Boden anzuheben, so dass das Bein gestreckt ist.
ÜBUNG 4: KRÄHE
Ziel ist es hier, die muskuläre Ausdauer zu verbessern, indem du die Zeit in der Pose verlängerst (das kann dir bei anderen Armbalancen helfen). Die Krähe erfordert zumindest am Anfang etwas was Mut, Verständnis für deinen Körper sowie ein Mindestmaß an Kraft in Rumpf und Armen. Wenn du sie noch nicht beherrschst, gibt es Varianten, beispielsweise das Anheben eines Fußes.
Wenn es bereits klappt, konzentriere dich auf die stabile Form (vor allem des oberen Rückens). Zähle lange, gleichmäßige Atemzüge. Vielleicht startest du mit fünf und steigerst langsam?
BLEIBE BEI DIR
Krafttraining ist Arbeit, egal in welcher Disziplin. Achte also darauf, dass du dir zwischen den Übungen Ruhe und Erholung gönnst und habe Spaß :). Nimm das ganze als eine Reise mit vielen sehens- und fühlenswerten Zwischenzielen. Und vertraue dem Prozess.